Nachdem man sich am gestrigen Tag noch schnell beim Flüchtlingsgipfel auf die Finanzierung der Versorgung und Unterbringung von Asylbewerbern zwischen Bund, Länder und Kommunen einigte, wurde die Sendung von Maybrit Illner zum Thema „Flüchtlingsrepublik Deutschland – reichen Geld und guter Wille?“ genutzt, um die großartigen Errungenschaften dieses Gipfels zu präsentieren. Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz bezeichnete die Ergebnisse als „toll, toll, toll“. Alle hätten „viel bewegt“ um ein klares Signal an die Bürger zu senden. An dieser Bewegung sollte die Bevölkerung jedoch keineswegs interessiert sein. Sie sollte sich eher Stabilität wünschen und keinen fluiden Zustand, dessen Rahmenbedingungen zu keinem Zeitpunkt diskutiert werden. Schnell wurde durch die Auswahl der Gäste auch klar, dass es nicht nur eine Frage des lieben Geldes ist, was die Gesellschaft in Deutschland entzweit.
Die Grünen gegen Pro Asyl
Günter Burkhardt, Geschäftsführer und Mitbegründer von Pro Asyl, wurde gleich zu Beginn der Sendung von Illner als „oberster Lobbyist der Flüchtlinge“ präsentiert. Dieser Ausdruck passte Burkhardt keineswegs, bringt man den Begriff doch stets mit eine negativen politischen Einflussnahme einzelner Wirtschaftsvertreter in Verbindung. Ihm gehe es um Menschenrechte, so Burkhardt. Dabei fehlte dem Flüchtlingsvertreter offensichtlich die Gabe, eine Analogie zwischen einem Wirtschafts-Lobbyisten und seiner eigenen Tätigkeit herzustellen: Beide versuchen mit ihren Forderungen auf die politischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen, ohne letztendlich für die negative Folgen Verantwortung zeichnen zu wollen.
Ein Vertreter der Politik, der diese negativen Folgen derzeit zu tragen hat, ist Boris Palmer (Grüne), Oberbürgermeister der Stadt Tübingen. Er sprach von der „drohenden Überforderung“ seiner Stadt und den „objektiven Grenzen in der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit“. Worte, die der Pro Asyl Vertreter nicht hören wollte und mit dem Hinweis quittierte, dass es sich um ein Denken in Stereotypen handeln und Palmer zudem Ressentiments bedienen würde. Mit den Problemen seiner Forderungen nach unbeschränktem Asylrecht für alle Menschen auf dem Planeten wurde Burkhardt in der Vergangenheit wohl kaum konfrontiert. Die Legitimation seiner Tätigkeit findet er auch durch die Wahl von Gleichgesinnten statt. Somit nachvollziehbar, dass sich Burkhardt auf dieselbe realitätsferne Stufe stellte wie seine Wähler.
Bevorzugte Lobbyisten
Diese Realitätsferne wurde wiederum von Bundesinnenminister Thomas de Maizière deutlich wahrgenommen. Nicht nur einmal waren seine befremdlichen Blick bei den Forderungen des Flüchtlings-Vertreters zu vernehmen. De Maizière konnte dennoch nicht in angemessener Weise entgegentreten – aus Angst mit einer möglicherweisen negativen Einstellung zur Flüchtlingspolitik seiner Kanzlerin erneut in den Rücken zu fallen. Diese Aufgabe übernahm ohnehin lieber der Grüne Palmer, der für seinen Realismus auch in den sozialen Netzwerken verstärkt Unterstützung von den sogenannten „Asylkritikern“ erhält. Ein Problem darin sieht er, vermutlich im Gegensatz zur Parteispitze, nicht. Die Forderungen seitens Pro Asyl verloren entsprechend an Wirkung und der Zuschauer kam zwangsläufig zu der Frage, ob denn Menschen, die sich um Menschenrechte kümmerten, eine erhöhte Berechtigung auf eine politische Einflussnahme haben sollten.
Die Antwort wird die Mehrheit wohl mit einem klaren „Nein“ geben. Als weitere interessante Erkenntnis des Abends kann durch die offensichtlich Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit mitgenommen werden, dass selbst alte Verbündete wie die Grünen und Pro Asyl in der derzeitigen Lage, hinsichtlich der unterschiedlichen Beteiligungen an der Lösungsfindung, die alten gemeinsamen Sichtweisen nicht mehr teilen können.
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